Hindernisse der russischen Sprache
Да нет, наверное! Wahrscheinlich haben viele von euch diese Phrase bei Russen schon gehört. Wörtlich übersetzt bedeutet das ‚ja nein, wahrscheinlich’, aber lasst euch nicht täuschen, denn wenn ihr eine/n Russen/Russin fragt, ob er/sie beispielsweise am Abend ins Kino mitkommen möchte und diese/r mit ‚ Да нет, наверное!‘ antwortet, dann könnt ihr davon ausgehen, dass er/sie wahrscheinlich nicht mitkommen wird. Ah, die russische Sprache … was soll ich dazu sagen? Ich verspüre eine Hassliebe ihr gegenüber. Versteht mich bitte nicht falsch, ich LIEBE Russisch, aber oft kann es ausgesprochen frustrierend sein (und ich bin mir sicher, dass viele von euch hier mit mir fühlen). Hier sind drei Hindernisse in der russischen Sprache, die mir persönlich am meisten Nerven kosten.
1. Russische Wörter richtig betonen
Ich kann mich noch gut an die allererste Einheit meines Russischkurses an der Uni erinnern. Wir haben natürlich zuerst Anfängerphrasen wie ‚Wie geht es dir?’ ( Как дела?) und Antworten wie ‚gut‘ (Хорошо) durchgemacht. ‚Хорошо’ … mit diesem Wort hat alles begonnen. Wie viele andere Anfänger habe ich natürlich das Wort so ausgesprochen, wie es geschrieben wurde, sprich, ich habe in diesem Fall alle Vokale tatsächlich als ‚o‘-s ausgesprochen. KHOROSHO hat sich für mich ziemlich korrekt angehört, wieso denn auch nicht, stimmt’s? Ich erinnere mich aber daran, dass unsere Professorin uns damals gesagt hat, dass nicht jedes O auch als O ausgesprochen wird, da dies davon abhängt, ob sie betont sind oder nicht. Auf unsere Frage hin, welche Regeln wir denn anwenden können, um zu wissen, welche O’s betont sind und welche nicht, lächelte sie nur und sagte uns, dass es eigentlich keine Regeln diesbezüglich gäbe. Wir sollten lediglich viel Russisch hören, sei es Filme schauen, Musik oder Audiobücher hören, aber am besten, Russen beim Sprechen zuhören. Ein Beispiel, das uns zeigt, wie wichtig es ist, Wörter richtig zu betonen, sind die zwei Wörter ‚zahlen‘ (плати́ть – platiť) und ‚weinen‘ (пла́кать – plakat’). In der ersten Person Singular sind diese zwei Wörter ident. Das Einzige, das diese zwei Wörter unterscheidet, ist die Betonung.
плати́ть – platiť (zahlen)
1.P. SG: я плачу (“ya plachu”)
пла́кать – plakat’ (weinen)
1.P. SG: я плачу (“ya plachu”)
Wenn ihr beispielsweise in einem Restaurant seid und eure russischen Freunde euch anrufen und fragen, wo ihr seid und ob ihr euch treffen wollt, und ihr ihnen erklärt, dass ihr gerade dabei seid, zu zahlen, und anstatt dem ‚u‘ dass ‚a’ betont, dann könnten sie sich entweder Sorgen um euer Wohlergehen machen oder einfach nur in Gelächter ausbrechen. Ein weiteres interessantes Beispiel ist das Wort “писать” (“pisat’”). Wenn man das ‚a‘ betont, dann bedeutet das Wort ‚schreiben‘, wenn man aber das ‚i‘ betont, dann bedeutet es ‚pinkeln‘. Wie ihr sehen könnt, kann das ein großes Hindernis für euch werden, da ihr in unangenehme (oder auch lustige) Situationen geraten könntet.
Diejenigen unter euch, die gerade erst damit begonnen habe, diese wundervolle Sprache zu erlernen, möchte ich warnen — ihr werdet sehr oft auf Wörter stoßen, bei denen ihr absolut keine Ahnung haben werdet, wo ihr die Betonung setzen sollt.
2. Sich mit dem “ы”-Laut durchkämpfen
Als ob das nicht schon genug wäre, haben die Russen entschieden, einen winzig kleinen Buchstaben in ihr Alphabet hinzuzufügen – das “ы”. Für Nichtrussischsprachige kann dieser kleine Buchstabe ein immenses Hindernis darstellen. Viele, darunter auch ich, geben es oft auf, diesen Laut richtig auszusprechen und verwenden stattdessen nur ein einfaches ‚i‘. Jedoch wissen wir, dass dieser Buchstabe einen ganz bestimmten, einzigartigen Laut hat, den wir, wenn wir wie echte Russen klingen wollen, früher oder später lernen sollten zu beherrschen. Auch wenn es ein Hindernis für uns darstellt, ist es wichtig, diesen Buchstaben richtig auszusprechen, nicht nur aus dem Grund, um wie ein echter Russe zu klingen, sondern auch, weil es wieder (wie in den obigen Beispielen) zu Missverständnissen führen kann. Ein anschauliches Beispiel hierfür sind die zwei Wörter ‚sein’ (быть, “byt”) und ‚schlagen‘ (бить, “beet”).
3. ехать, идти, выходить, переходить, заходить … Bewegungsverben – der Fluch eines jeden Russischlernenden
Die Bewegungsverben … meinen lieben Russischlernenden, wir alle teilen dasselbe Leid! Im Russischen gibt es tatsächlich unzählig viele Arten zu sagen, wie und wohin jemand geht. Für mich persönlich ist dies das schwierigste Thema der russischen Grammatik. Wie gerade eben schon gesagt, im Russischen gibt es nicht nur eine Art zu sagen, dass eine Person irgendwohin geht — Dies hängt nämlich von der Situation ab: Geht sie zu Fuß oder verwendet sie öffentliche Transportmittel, ist sie direkt zum ‚Ziel‘ gegangen, oder hat sie Zwischenstops gemacht, ist sie nur dorthin gegangen oder ist sie auch wieder zurückgekommen, und so weiter. Grundsätzlich besteht jedes Bewegungsverb aus zwei Formen: das Verb ‚gehen‘ beispielsweise besteht aus den zwei Formen ‚идти́’ und ‚ходи́ть‘ — welches man verwendet, hängt, unter anderem, davon ab, ob die Situation zielgerichtet oder nicht zielgerichtet ist (Natürlich gibt es viele weitere Situationen und Ausnahmen, die man beachten muss, aber ich bin mir sicher, dass ihr dieses Thema noch durchmachen werdet, oder bereits durchgemacht habt). Also, wie wir bereits gesagt haben, existiert jedes einzelne Bewegungsverb aus zwei Formen. Zusätzlich gibt es aber auch unglaublich viele Präfixe, die alle eine andere Bedeutung haben.
в- hinein
вы- hinein
до- bis
за- Zwischenstop (am Weg)
об- herum
от- weg
про- durch, vorbei
у- weg
Das sind nur wenige Präfixe, die ich hier genannt habe — die Liste ist weitaus länger.
Was soll ich euch noch sagen? Willkommen in der Welt der russischen Sprache.
Ich möchte ehrlich mit euch sein, Russisch ist eine Sprache voller Hindernisse … die oben genannten sind nur diejenigen, die für mich persönlich am Herausforderndsten sind. Aber lasst den Kopf nicht hängen, denn jede Sprache hat ihre Schwierigkeiten — Harte Arbeit und Willensstärke bringen einen am Ende zum Ziel. Wenn man sich etwas fest vornimmt, dann kann man alles schaffen, was man sich in den Kopf setzt!