Fällt Slawen Russisch lernen leichter?

Russisch gilt generell als eine eher schwierige Sprache zu lernen, also sei ruhig stolz auf deinen Fortschritt. Vielleicht kommt es dir aber so vor, als würde der Lernprozess deinen slawischen Kollegen leichter fallen als dir. Heißt das also, dass man beim Russisch lernen einen Vorteil hat, wenn man bereits andere slawische Sprachen beherrscht? Die Antwort ist ganz klar „ja“, doch jetzt lass uns zuerst mehr darüber lernen, inwiefern slawische Sprachen dem Russischen ähneln.
Einführung in slawische Sprachen
Die meisten Menschen denken vermutlich als Erstes an Russisch, wenn sie von slawischen Sprachen hören. Daran ist nichts auszusetzen, schließlich ist es die am weitesten verbreitete slawische Sprache, insgesamt gibt es allerdings mehr als 10 slawische Sprachen. Alle slawischen Sprachen gehen auf das sogenannte Urslawisch (auch Protoslawisch) zurück, welches sich später in drei verschiedene Richtungen entwickelte: Ostslawisch, Westslawisch und Südslawisch. Die ostslawischen Sprachen sind durch ihre Anzahl an Sprechern die größte Gruppe und umfassen Russisch, Ukrainisch und Weißrussisch. Polnisch, Tschechisch und Slowakisch gehören zu den westslawischen Sprachen, Bulgarisch, Serbisch und Kroatisch zu den südslawischen Sprachen.
Welche Gemeinsamkeiten gibt es?
Wenn du slawische Sprachen hörst, kann es gut sein, dass sie sich sehr ähnlich anhören. Die Sprachen haben sich in ihrer Entwicklung gegenseitig beeinflusst, weswegen es viele Gemeinsamkeiten gibt. Zum Beispiel waren die Tschechische Republik und Slowakei früher ein Land, weswegen die Menschen beider Länder sich gegenseitig verstehen können und viele Wörter gleich sein. Das gleiche gilt für Serbien und Kroatien, wobei jedoch die jeweiligen Sprachen von manchen nicht einmal als verschiedene Sprachen, sondern vielmehr als zwei Dialekte betrachtet werden. Daher ist es sehr typisch, dass es viele Gemeinsamkeiten im Vokabular gibt, was aber auch sehr verwirrend sein kann. Beispielsweise heißt живот auf Russisch „Magen“, auf Tschechisch und Slowakisch heißt život „Leben“. Möchte man auf Tschechisch „Tisch“ sagen, ist das entsprechende Wort stůl, während auf Russisch „Tisch“ стол und „Stuhl“ стул ist. Immer wieder kann man Slawen dabei erwischen, wie sie über eben solche lustigen Verwechslungen lachen, gleichzeitig aber nie die richtige Version lernen. Bezüglich der Grammatik haben slawische Sprachen eine Gemeinsamkeit in der Anwendung eines umfangreichen Deklinationssystems, wobei sich die Endungen von Substantiven und Adjektiven, aber auch die Präpositionen je nach Fall ändern. Des Weiteren werden in allen slawischen Sprachen zwischen drei grammatikalischen Geschlechtern unterschieden und bei den Verben gibt es unvollendete und vollendete Aspekte, was du vermutlich bereits aus dem Russisch Unterricht kennst. Eine weitere Gemeinsamkeit aller slawischer Sprachen ist die phonetische Palatalisierung, auch als ‚Erweichen‘ (engl. softening) bekannt. Auch wichtig ist, dass in slawischen Sprachen zwei Alphabete, das lateinische und kyrillische, verwendet werden und sich dazu noch eigene Buchstaben herausgebildet haben, z. B. das ř im Tschechischen.
Ist Russisch daher für Slawen einfach zu lernen?
Theoretisch, ja. Ich selbst bin aus Tschechien und habe bereits einige Parallelen zwischen Tschechisch und Russisch gefunden, hauptsächlich in der Grammatik und Satzstruktur. Gleichzeitig fällt es mir schwer die Verwendung des Weichheitszeichens zu lernen, geschweige denn es korrekt auszusprechen. Wie bereits erwähnt sind manche Wörter für mich verwirrend oder so lang, dass ich sie mir unmöglich merken kann. Manchmal habe ich den Eindruck, dass es umso schwieriger ist eine Sprache zu lernen, umso ähnlicher sie zur eignen Muttersprache ist, da man die zwei Sprachen ständig vermischt.
Auch wenn es also hilfreich ist eine andere slawische Sprache bereits zu sprechen, ist es gleichzeitig oft auch sehr verwirrend. 😀
Anna
Geschrieben von Anna, die aktuell bei Liden & Denz in Riga Russisch lernt
Fotos von Pexel
Aus dem Englischen von Saskia Schwarz