Lettische Nationalbibliothek
Gegenüber der Altstadt, am anderen Ufer der Daugava erhebt sich ein riesiger und etwas skurriler Glasbau. Es handelt sich um die Lettische Nationalbibliothek, einer der beeindruckendsten Kulturbauten Lettlands. Die Grundaufgabe der Bibliothek ist es, eine Sammlung von nationaler und internationaler Literatur zu erstellen, sie zu pflegen und den Zugang zu dieser für jedermann zu ermöglichen. Das Bibliotheksgebäude wurde im August 2014 eröffnet, entworfen wurde es vom weltbekannten lettischen Architekten Gunārs Birkerts. Der Architekt selbst beschreibt sein Werk als Adaption des Gläsernen Bergs aus dem Gedicht „Das goldene Ross“. Darin erzählt der Lettische Volksdichter Rainis eine Geschichte von Befreiung und Erwachen, in der eine Prinzessin aus dem ewigem Schlaf auf der Spitze eines gläsernen Berges erlöst wird.
Geschichte
Die Lettische Nationalbibliothek wurde am 29. August 1919, ein Jahr nach der Unabhängigkeit Lettlands, als offizielle Staatsbibliothek gegründet. Ihr Bestand an Büchern wuchs sehr rasch an. Alle Lettinnen und Letten waren aufgerufen, jeweils ein ihnen wichtiges Buch mit kurzer Widmung ihrer Bibliothek zu spenden. Grosse Zugänge erhielt die Staatsbibliothek angesichts der bevorstehenden Umsiedlung der Deutsch-Balten in den Jahren 1939 und 1940. Der Bestand war danach bereits auf 1’700’000 Bände angewachsen. In der Folge dessen musste ein zweiter Standort in der Altstadt Rigas eröffnet werden. Während der Zeiten der deutschen und sowjetischen Besetzung Rigas wurde die Staatsbibliothek jeweils umbenannt und gemäss den Ansichten der Besatzungsmacht umgestaltet. Die Sowjets haben alle „gefährlichen“ Werke ausgesondert. Diese Werke konnten nur mit einer Sondergenehmigung eingesehen werden.
Nach der Erlangung der Unabhängigkeit 1991 wuchs der Bestand an Büchern erneut an. 1995 erhielt die Staatsbibliothek eine von Otto Bong aufgebaute Dauerleihgabe, die sog. Baltische Zentrale Bibliothek. Eine komplette Sammlung zur Geschichte und zur Landeskunde sowie den Sprachen des Baltikums. Die Bestände der Nationalbibliothek umfassen heute mehr als fünf Millionen Titel, darunter etwa 18’000 Handschriften, die vom 14. Jahrhundert bis zur Gegenwart reichen. Das stete Wachstum der Bestände führte dazu, dass einzelne Sammlungen ausgelagert und in Nebengebäuden untergebracht werden mussten. Ab 2013 war die Nationalbibliothek auf fünf Standorte in Riga verteilt. Diese Tatsache bewog das Lettische Parlament einen Neubau zu beschließen, der genug Platz für alle Werke bieten soll.
Das Projekt benötigte von Beauftragung bis Realisierung ganze 25 Jahre und war von Beginn an kontrovers diskutiert. Nicht nur die unkonventionelle Form des Baus, sondern vor allem auch die hohen Ausgaben wurden kritisiert. Es sei zu teuer und bloss ein Prestigegebäude. Auch beim Bau kam es immer wieder zu Verzögerungen und Rückschlägen, vor allem während der Finanzkrise 2008. Nichts desto trotz wurde 2014 die Eröffnung gefeiert. Das Gebäude ist für normale Besucher vom Erdgeschoss bis zum 7. Obergeschoss kostenlos zugänglich und bietet von Montag bis Samstag auch Gruppenführungen an.
Matthias Thöny, Praktikant bei Liden & Denz in Riga