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Weliki Nowgorod: Die Wiege des antiken Russlands

Weliki Nowgorod: Die Wiege des antiken Russlands
18 September 2019

Weliki Nowgorod wird oft als die Wiege des “antiken” Russlands bezeichnet. Die Stadt wurde Mitte des 10. Jahrhunderts gegründet, was sie zu einer der ältesten Städte Russlands macht. Nowgorod liegt zwischen Moskau und Sankt Petersburg und hat eine ausgesprochen interessante und einzigartige Geschichte. Solltet ihr mal in der Nähe sein, würde ich definitiv eine Besichtigung empfehlen. Falls ihr einstweilen mehr darüber erfahren wollt, was die Nowgoroder Region so einzigartig macht, sind hier 7 interessante historische Fakten über Nowgorod.

1. Weliki Nowgorod – Die Stadt der Kirchen

Die Dichte an Kirchen in Weliki Nowgorod ist erstaunlich. Im 15 Jahrhundert wurden nicht weniger als 81 Kirchen in der Nowgorod gezählt. 52 davon sind bis heute erhalten. Allein innerhalb der Kremlmauern befanden sich einst 27 Kirchen. Außerdem befindet sich die älteste erhaltene Kirche auf dem heutigen Staatsgebiet Russlands in Nowgorod. Die Sopheinkathedrale wurde zwischen 1045-1050, also innerhalb von 5 Jahren erbaut. Auf der höchsten Kuppel der Kirche ist eine Taube aus Metall zu sehen. Der Legende nach erstarrte die Taube, als sie von dort aus die brutale Brandschatzung unter Ivan dem Schrecklichen beobachtete.  Die Jungfrau Maria offenbarte daraufhin einem Mönch, dass die Taube als Trost für die Einwohner der Stadt gesandt wurde. Von da an glaubte man, dass die Stadt nicht fallen würde, solange die Taube auf dem Kreuze saß. Während des 2. Weltkrieges wurde das Kreuz von den Spaniern gestohlen und kurz darauf  wurde die Stadt von den Deutschen eingenommen.

2. Das Sankt-Georgs-Kloster

Das Sankt- Georgs-Kloster wird häufig als das älteste Kloster Russlands bezeichnet. Der Legende entsprechend wurde das Kloster 1030 von Yaroslav dem Weisen gegründet. Einst beheimatete das Kloster 12 Kirchen, von denen bis heute aber nur noch 4 erhalten blieben, obwohl das Kloster nun wieder in Betrieb ist. Im Zuge des 2. Weltkrieges wurde das Kloster von Deutschen und Spanischen Truppen besetzt und stark beschädigt. 1991 wurde das Kloster an die Kirche zurückgegeben und Teile davon wurde seither renoviert. In der Zeit der Sowjetunion dienten die Räumlichkeiten des Kloster für verschiedenste Zwecke. Eine der Kirchen diente als Warenlager, eine zweite wurde zu einem Postamt umfunktioniert und eine der Kirchen stellte sich als einen idealen Ort um Fische zu trocknen heraus.

3. 1000 Jahre Russland

Weliki Novgorod steht in direkter Verbindung mit den Wurzeln der russischen Staatlichkeit. Laut den Nestorchroniken, wurde der warägische Prinz Rjurik von den ansässigen Stämmen bestellt, um, nach einer von Unruhen und Konflikten geprägten Phase, über sie zu regieren und wieder Ordnung herzustellen. Er wurde damit zum Gründervater der Rjurik Dynastie, die über 700 Jahre Russland beherrschen sollte. Man geht davon aus, dass hinter dieser Legende der Name “Rus” steckt. Außerdem bot die Erzählung Anlass 1862 das 1000 jährige bestehen Russlands zu feiern. Zur Feier des Ereignisses wurde im Zentrum des Nowgoroder Kremls eine prachtvolles Monument erbaut. . Bis heute ziert das Monument den Nowgoroder Kreml und erinnert an den Status der Stadt als Wiege Russlands.

4. Novgorod – Ein bedeutendes Wirtschaftszentrum im Mittelalter

Während des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit war Nowgorod ein bedeutendes Handelszentrum. Im 12. Jahrhundert befand sich der größte Marktplatz Europas mit 1800 Verkaufsständen im Zentrum der Stadt.  Seine Vorreiterstellung im europaweiten Handel verdankte  Nowgorod unter anderem seiner geografischen Lage. Die Stadt liegt am Wolchow Fluss, welcher das Baltikum mit Byzanz und der muslimischen Welt verband und den wichtigsten Handelsrouten zählte. Außerdem hatte Nowgorod Zugang zu einer großen Menge an Produkten aus dem Norden, wie zum Beispiel Tierfell und vor allem Bienenwachs.  Die Region war  beispielsweise der führende Exporteur von wie Kerzen in ganz Europa. Wachs war solch ein verbreiteter Rohstoff, dass es sogar als Zahlungsmittel verwendet wurde.

5. Politische Strukturen

Die politische Struktur in Novgorod war für spätmittelalterlichen Verhältnisse einzigartig im russischen Raum. Nowgorod wird deshalb oft als die Wiege demokratischer Traditionen in Russland bezeichnet. Im Zeitraum von  1136 bis 1478 war Novgorod die Hauptstadt der Novgoroder Republik, und wurde vom “Veche”, dem Stadtrat, beherrscht. Der “Veche” bezeichnete die Versammlung einflussreicher Personen, die Entscheidungen bezügliche “außenpolitischer” Angelegenheiten regelten, Prinzen ein- auch wieder absetzten konnten und Gesetze erließen. Der wurde in der Regel für einen bestimmten Zeitraum eingesetzt, üblicherweise für eine Kriegsperiode und unter bestimmten Voraussetzungen, die in einem Vertrag im vorhinein in einem Vertrag festgelegt wurden. Die Bezeichnung “Veche” leitet sich von dem Wort “Vecher” ab, weil sich der Stadtrat  regelmäßig abends versammelte. Es gab eine bestimmte Glocke, die geläutet wurde, wenn sich der Rat zusammenfinden sollte um aktuelle Angelegenheiten zu besprechen. Erlaubte sich jemand einen Scherz und läutete die Glocke beispielsweise im Trunk aus Jux, konnte das schwerwiegende Konsequenzen haben und sogar zu einer Exekution führen. Die einzigartige politische und ökonomische Situation in der Nowgoroder Republik und die Tatsache, dass die Gesellschaft  eher säkular organisiert war,steht auch im Zusammenhang damit, dass es in dem Gebiet ein außerordentlich gutes Bildungssystem gab. Man geht davon aus, dass bereits im 12. Jahrhundert bis zu 90% der Bevölkerung schreibkundig war. Grund für die Annahme sind erhaltene schriftliche Überlieferungen von Rechenübungen und beispielsweise Liebesbriefen von einfachen Leuten.

6. Der Niedergang Nowgorods

Wie kam es also, dass dieses ökonomische Zentrum, die Wiege des russischen States seine Vormachtstellung verlor. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entschloss sich Ivan III. die Stadt aus ökonomischen Gründen zu annektieren. Der Veche wurde aufgelöst und ein großer Teil der Bevölkerung wurde entweder ermordet oder deportiert. Daraufhin wurde die Novgorod zur drittgrößten Stadt im Moskauer Großfürstentum. 1570 nahm Ivan  der Schreckliche die Stadt ein und verursachte das Massaker von Novgorod. Tausende Einwohner wurden brutal ermordet, darunter Frauen und Kinder und die Handelselite der Stadt wurde nach Moskau oder in andere Teile des Landes deportiert.

Nachdem sich Nowgorod über die Jahrhunderte hinweg von den Ereignissen erholt hatte, kam eine weitere schreckliche Periode auf die Stadt zu. Während des zweiten Weltkrieges wurde die Stadt von den Deutschen besetzt. Historische Monumente wurden von den Besatzern systematisch zerstört. 1944 wurde Nowgorod schließlich von der Roten Armee befreit, doch lediglich 40 von über 2000 Steingebäuden überlebten die Kriegsjahre.

7. Home is where the ‘PECH’ is

Falls Sie Lust haben in das tägliche leben der neuzeitlichen ländlichen Bevölkerung Russlands einzutauchen, sollte Sie auf jeden Fall das  Vitoslavlitsy Museum in der Nowgoroder Region besuchen. Es beheimatet 20 Originale Holzbauten aus dem Zeitraum des 16.-19. Jahrhunderts. Kirchen, Kapellen und Wohnhäuser aus der Region wurden an einen Standort zusammengetragen und in den 16. Jahren in diesem Open-Air Museum  untergebracht.

Interessant am ländlichen Leben in der Neuzeit erschient, dass Menschen üblicherweise ihre Häuser nicht an willkürlich gewählten Standorten bauten. Das Herzstück des Hauses bildete nämlich der  “печь”, ein traditioneller multifunktionaler Ofen.  Da der “печь” extrem aufwendig zu erbauen war und sich seine Errichtung sehr zeitintensiv war, suchten die Leute nach einem Plätzchen, an dem bereits ein “печь” stand und bauten ihre Hütten um den Ofen herum. Da der Boden in der Nowgoroder Region nicht sonderlich fruchtbar ist,  wanderten ganze Dörfer nach 10 bis 15 Jahren entlang des Flusses weiter und nahmen ihre Häuser, die ganz ohne Nägel konstruiert waren dabei stets mit. Aufgrund der Tatsache, dass Dorfgruppen stets weiterzogen, war an einigen Orten ein verlassener  “печь” und damit ein neuer Wohnsitz zu finden.

 

Liden&Denz bietet regelmäßig Exkursionen für Studierende, die Kurse am Sankt Petersbuger Standort absolvieren, an.

Posted by Patricia Seifner

Hi! I'm Patricia. I am a student from Vienna and I'm currently working as an intern at Liden&Denz in St.Petersburg.

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