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Deklinieren – der Schlüssel zur russischen Sprache

07 April 2014

Nominativ, Genitiv, Akkusativ, Dativ, Instrumental und Präpositiv, oder eben именительный, родительный, дательный, винительный, творительный und предложный: Die sechs Fälle sind der Dreh- und Angelpunkt des Russischen. Jeder Bereich wird von ihnen verfasst, ohne sie würde Russisch Sinn und Aussage verlieren, alles wird durchdekliniert. Es ist ein lückenloses System, in das alles eingeordnet werden kann, das tragende Gerüst der Sprache. In dieses grundlegende System der Fälle wird alles eingefügt, dekliniert werden Substantive, Adjektive, Namen, Zahlen und Ortschaftsbezeichnungen. Bloss einige Fremdwörter wie интервью, шоу oder такси verändern ihre Form nicht- aufgrund ihrer unüblichen Endungen lassen sie sich nicht in das System einfügen.

Роза, розы, розе, розу, розой, розе und стол, стола, столу, стол, столом, столе- am Beispiel der Wörter Rose und Tisch ist leicht zu erkennen, wie jeder Fall seine spezifische Endung hat, so dass ein und dasselbe Wort in jeweils sechs unterschiedlichen Varianten auftauchen kann. Genauer gesagt sogar zwölf: Denn es gibt ja nicht nur einen Nominativ Einzahl, sondern auch einen Nominativ Mehrzahl. Und einen Dativ Mehrzahl- bis hin zum Präpositiv Mehrzahl. Die Rosen und Tische werde also zu розы, роз, розам, розы, розами, розах respektive столы столов, столам, столы, столами, столах.

Will man flüssig sprechen, muss man die zwölf Endungen unbedingt auswendig können. Müsste man zwischendurch immer wieder überlegen, wie jetzt der Genitiv Einzahl oder der Dativ Mehrzahl gebildet wird- ein normaler Gesprächsfluss wäre unmöglich. So bleibt jedem Russischlernenden nichts anderes übrig, als die verschiedenen Endungen schlicht und einfach auswendig zu lernen. Das riecht nun sehr nach einem Haufen Arbeit- gibt es keine andere Möglichkeit? Nein, leider nicht. Doch ist alles halb so schlimm: Sitzen die Endungen erst einmal, ist der Grossteil der Arbeit getan und Russisch wird keine grösseren Probleme mehr bereiten: Auf dem nun gelegten Fundament kann aufgebaut werden. Die grammatikalische Struktur ist systematisiert, in sich geschlossen und in allen Bereichen der Sprache anwendbar. Dazu kommt, dass schon nach relativ kurzer Zeit das eigene Sprachgefühl geschärft ist und man von selbst spürt, welche Deklination richtig ist und welche nicht.

Die auf den ersten Blick so rigide, unbewegliche Struktur bietet in Wahrheit sehr viel Raum für Flexibilität und Kreativität im Sprachgebrauch, kann doch die starre Grundstruktur mit beliebigen Inhalten gefüllt werden. Dem Nachteil, dass erst das Beherrschen der Deklinationen den Schlüssel zur Sprache liefert, steht der Vorteil gegenüber, dass das System logisch, ohne Ausnahmen und überall anwendbar ist. Man kann ohne zu übertreiben behaupten, mit dem Beherrschen der Fälle die Sprache in der Tasche zu haben.

Urs Gisler 

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