Die Krim – ein Juwel an der Schwarzmeerküste
Die Halbinsel Krim steht seit der international geächteten Angliederung an Russland vor gut sechs Jahren unter Sanktionen, die es unter anderem europäischen oder amerikanischen Reiseveranstaltern verbietet, Pauschalreisen in diese vormals recht beliebte Destination anzubieten oder durchzuführen. Ein Besuch der Halbinsel als Tourist ist – wenigstens für EU Bürger – allerdings nicht verboten. Es lohnt sich auf alle Fälle vor einer Reise die geltenden Warnhinweise der jeweiligen Behörden zu konsultieren.
Investitionen – staatlich und privat
Das Minus an ausländischen Gästen wurde in den letzten Jahren ganz gut kompensiert durch Reisende aus Russland, vor allem im Covid-Jahr 2020. Der Kreml hat auf der Krim keine halben Sachen gemacht. Es wurde viel in die Infrastruktur investiert. Der Flughafen Simferopol (SIP) ist neu, Autobahnen durchziehen den (touristischen) Süden der Halbinsel. Eine 19 km lange Strassen- und Eisenbahnbrücke verbindet seit 2019 die Krim mit dem russischen Festland.
Zusätzlich haben private Investoren reichlich viel Geld in die Hotellerie gesteckt, auch wenn da und dort noch nicht das Niveau der Dienstleistungen von St.Petersburg oder Moskau erreicht wurde. Der Anbau von Reben hat auch Fortschritte gemacht und einige der degustierten Tropfen sind unterdessen wirklich gut. Die Angestellten in der Gastronomie sind überall wo wir waren, sehr nett und versuchen jeden Wunsch der Gäste zu erfüllen.
Sanktionen
Internationale Hotel- oder Restaurantketten sucht man vergebens. Angeflogen kann Simferopol nur von Russland aus. Nicht-russische Kreditkarten funktionieren genauso wenig wie eine Reihe von online Diensten, die nur mühsam per VPN Kanal aufgerufen werden können. Das Internet läuft passabel, wenn auch zum Teil mit mässiger Geschwindigkeit.
Entschädigt werden Besucher durch die pure Schönheit von Sehnsuchtsorten wie Jalta, Sommerresidenz der letzten Zaren am Fuße des Krimgebirges, einer abwechslungsreichen Landschaft, gastfreundlichen Einheimischen und den vielen Zeugen von Geschichte, Hinweise auf die Vielschichtigkeit der Kultur dieser einzigartigen Gegend am Schwarzen Meer.
Skythen, Griechen, Krimtataren und Potjomkin
Besiedelt wurde die Küsten bereits im 7./8. Jh vor Christus von den legendären Skythen und anderen halb-nomadischen Stämmen. Griechen kolonisierten einzelne Küstengebiete. Folgerichtig waren auch die Römer dort, in den byzantinischen Zeit errichteten Venedig und Genua Aussenposten an der südlichen Küste der Halbinsel. An der Ufern der griechischen Stadt Chersones (heute Sewastopol) soll der Kiewer Fürst Wladimir um das Jahr 988 herum getauft worden sein. Seine Bekehrung leitete die Christianisierung der Kiewer Rus ein.
Die Steppe nördlich des Krimgebirges wurde immer mal wieder von Mongolen heimgesucht. Bachtschissarai an der Nordflanke dieses Gebirges wurde im späten Mittelalter Zentrum des Chanats der Krimtataren, einer aufsteigenden regionalen Grossmacht, deren Krieger zur Zeit Ivan des Schrecklichen die Stadt Moskau niederbrannten. Der Palast von Bachtschissarai hat nicht nur Alexander Puschkin zu einem seiner schönsten Gedichte inspiriert. Er verzaubert auch heute noch. Schlussendlich war es Fürst Potjomkin (bekannt durch die Potjomkinschen Dörfern – die Geschichte ist übrigens frei erfunden), der für seine Chefin, Katharina der Grossen, die Krim 1783 unblutig eroberte und der Unabhänigkeit der Krimtataren damit ein Ende setzte.
Auch heute leben auf der Krim (neben Russen und Ukrainern) Krimtataren, Armenier, Griechen und Angehörige anderer Völker. Seit Stalins Deportationen von 1941-1944 gibt es allerdings keine Krimdeutschen oder Krimschweizer mehr. Das Zentrum der Krimschweizer, Zürichtal, heisst heute übersetzt Goldenes Feld und wenig erinnert an seine damaligen Bewohner.
Highlights
Die Krim ist unglaublich reich an Geschichte zum Anfassen. Die von uns besuchten Kulturstätten waren alle in einem sehr guten Zustand, man pflegt das Vielvölkererbe mit beträchtlichem Aufwand. Unsere persönlichen Highlights waren der Besuch des Livadija Palastes in Jalta (dort veranlassten im Februar 1945 Stalin, Churchill und Roosevelt die Teilung Deutschlands und Polens, aber auch die Gründung der UNO), sowie die sehr gut erhaltene Höhlenfestung Tschufut Kale, in der Angehörige verschiedener Religionen und Ethnien im ausgehenden Mittelalter friedlich zusammen lebten.
Unglaublich spannend ist das schon vorhin erwähnte Sewastopol, Sitz der russischen Schwarzmeerflotte und dadurch während der Sowjetperiode gesperrt für Ausländer. Im Krimkrieg (1853-1856), dem “nullten” Weltkrieg wurde die Festung Sewastopol von französischen und britischen Truppen ein knappes Jahr belagert. Mit eingeschlossen war ein junger russischer Offizier, der später als Schriftsteller Weltruhm erlangte: Lew Tolstoi. Das gigantische 360 Grad Panorama von Franz Roubaud zeigt die Schlacht am berühmten Malachow Turm in ihrer Totalität und Brutalität. Der Turm von Malachow steht noch und kann besichtigt werden. Die bereits erwähnten Ruinen von Chersones sind ebenfalls ein Besuch wert. In das Freilichtmuseum wird zur Zeit stark investiert. Archäologen sind ebenfalls vor Ort und suchen nach Relikten vergangener Zeiten.
Jalta
Sand gibt es im Westen in und um Jewpatorija herum, an der Südküste dominiert Stein und Kiesel. In Jalta betrug die Wassertemperatur anfangs November im Meer 20 Grad, an der Luft war es tagsüber nie kühler als 18 Grad. Hotelresorts kompensieren die mittelmässigen Strände durch Pools und Wellness-Landschaften. Jalta ist Kurort seit dem 19. Jahrhundert, Anton Tschechow verbrachte mehrere Jahre dort, am Ende versagten seine Lungen trotz der guten Luft; der Autor verstarb früh. Haus und Datscha des berühmten Schriftstellers in Jalta und Gursuf können und sollten besichtigt werden!
Die Hotels in Jalta entsprechen durchwegs internationalen Standards. Direkt an der Uferpromenade befinden sich zwei kürzlich renovierte Herbergen aus der Zeit der Zaren: das Hotel Bristol*** sowie das im Art-Deco Stil gebaute Hotel Oreanda****. Zwischen diesen beiden Häuser liegt die Villa Elena*****, beste (und teuerste) Adresse in Jalta.
Solange die Sanktionen in Kraft bleiben, wird der internationale Tourismus nicht in die Gänge kommen. Es wäre so einfach: Mehrere Direktflüge täglich ab Moskau oder St.Petersburg mit modernem Fluggerät, Mietwagen ab Flughafen, eine gut entwickelte Infrastruktur, Hotels die keine Wünsche offen lassen, sehr gutes Essen, eine reiche Auswahl an lokalen Weinen und Kultur soweit das Auge reicht. Und das alles zu sehr moderaten Preisen.
Da sich der Kreml von den Sanktionen bis heute nicht beeindrucken liess und es wohl auch in Zukunft nicht tun wird, muss jeder für sich selber entscheiden, ob er oder sie die Krim besuchen möchte – wissend, damit geltende Reisewarnungen zu ignorieren. Mit der Sicherheitslage auf der Krim haben diese sicher nichts zu tun. Besucher können sich dort sehr sicher fühlen.
Weitere Berichte zur Krim:
https://www.srf.ch/news/international/krim-unter-russischer-flagge-die-halbinsel-der-ernuechterung