Die Straße des Lebens – Дорога жизни
Der russische Dichter und Übersetzer Bronislaw Adol’fovich Kezhun verfasste die Inschrift, die noch heute auf einer Steintafel am Fuße der Gedenkstätte der Straße des Lebens zu lesen ist:
Nachkomme, wisse: in den harten Jahren,
Treue dem Volk, Pflicht und Vaterland ,
Durch die Eisbänke des Ladoga
Von hier aus fuhren wir die Straße des Lebens,
Das Leben stirbt nie.
Original:
Потомок, знай: в суровые года,
Верны народу, долгу и Отчизне,
Через торосы ладожского льда
Отсюда мы вели дорогу Жизни,
Чтоб жизнь не умирала никогда.
Während des zweiten Weltkrieges wurde Leningrad von den Finnen im Norden und den Deutschen im Süden vollkommen eingeschlossen. Die wohl folgenschwerste Belagerung der Menschheitsgeschichte kostete Hunderttausende das Leben. Den deutschen Belagerern gelang es, alle Landwege nach Leningrad einzunehmen und somit die Stadt von jeglicher Versorgung abzuschneiden, da der Finnische Meerbusen im Westen und der Ladogasee im Osten bis dato dafür nicht nutzbar waren. Die Bevölkerung hungerte, fror, und kämpfte ums Überleben, doch sie kapitulierten nicht.
Um eine Versorgung der Stadt zu ermöglichen und um die Bevölkerung zu evakuieren, musste folglich eine neue Versorgungsroute geschaffen werden. Die besondere geographische Lage und die damit einhergehenden Temperaturen ermöglichten es dem sowjetischen Militär, eine ca. 48 km lange Straße über das Eis des Ladogasees zu errichten, die auch von schweren Fahrzeugen befahren werden konnte: Die Straße des Lebens (russisch: дорогу Жизни).
Der geschlossene Belagerungsring war damit gebrochen. Die genaue Route änderte sich immer wieder, je nach Zustand und Dicke des Eises und feindlicher Aktivitäten. Da es auf dem See keinerlei Deckungsmöglichkeiten gab, wurden über die gesamte Länge auf dem Eis Flugabwehrgeschütze postiert, und Jagdflugzeuge sicherten zusätzlich den Luftraum. Dennoch war die Fahrt über das Eis hochriskant. Neben feindlichem Beschuss drohte den Konvois vor allem der Einbruch ins Eis und Unfälle mit anderen Fahrzeugen. Die Fahrer der LKWs fuhren meist mit offener Türe auf dem Rahmen des Fahrzeugs stehend, um bei einem Einbruch schnellstmöglich vom Fahrzeug wegzukommen. Um vom Feind nicht gesehen zu werden, wurde nachts meist ohne Licht gefahren. Nachdem man feststellte, dass der Verlust durch Unfälle jedoch um ein Vielfaches höher war, als durch Feindfeuer, wurde angeordnet bei Nacht das Fahrzeuglicht zu verwenden.
Die Straße des Lebens wurde erstmals am 19.Dezember 1941 in Betrieb genommen und bis zum 23. April 1942 betrieben. In diesem und den folgenden Wintern von 1942/1943 und 1943/1944 wurden insgesamt 1,3 Millionen Menschen aus Leningrad über die Eisroute evakuiert, hauptsächlich Frauen und Kinder. Auch Kulturgüter und Industrieequipment wurden aus der Stadt gebracht, um nichts den deutschen Truppen zu überlassen. In der anderen Richtung wurden die so dringend notwendigen Versorgungsgüter in die Stadt gebracht, die unzähligen Menschen das Leben retteten. Drei Viertel der Lieferungen waren Nahrungsmittel für die verhungernde Bevölkerung.
1942 wurde auch eine Ölpipeline durch den Ladogasee verlegt, die „Arterie des Lebens“. Somit konnten die Bewohner Leningrads auch erstmals wieder heizen.
Heute erinnert vor allem ein 1966 eröffneter Denkmalkomplex auf Höhe des Kilometer 40 der Straße des Lebens (https://goo.gl/maps/mXb6x2ADxfP2) an die besondere Versorgungsroute, der auch oben im Bild zu sehen ist. Zwei sieben Meter hohe Stahlbetonbögen mit einem Gewicht von 32 Tonnen symbolisieren den Belagerungsring, die Kluft zwischen den Bögen symbolisiert die Straße des Lebens. Am Fuß eines der Bögen findet sich auch das oben zitierte Gedicht. Auf dem Boden findet man Fahrzeugspuren, die in den See laufen, sowie eine ewige Flamme. Weiterhin steht neben dem Denkmal auch eine echte 85 mm Flak, wie sie seinerzeit zur Verteidigung der Straße des Lebens gegen deutsche Luftangriffe verwendet wurde.