Romantik in der russischen Folklore: Die Rusalka und der Vodyanoy
Die russische Mythologie hat eine interessante Auswahl von Unterwasserfiguren. In diesem Artikel wird auf zwei Figuren konzentriert: den Vodyanoy (водяной), den männlichen Wassergeist, und die Rusalka (русалка), den weiblichen Wassergeist. Wie Du wahrscheinlich schon erraten hast, heiratet der Vodyanoy die Rusalka, und sie leben glücklich zusammen. Allerdings ist es in Wirklichkeit nicht so einfach…
Der Vodyanoy
Es wird geglaubt, dass der Vodyanoy ein spezifisches Gewässer bewohnt und dort alle Geschehnisse kontrolliert. Sein Aussehen ist ohne Ausnahme ekelhaft: typisch hat er aufgeblähte, schmierige Haut in unterschiedlichen Grün- und Blautönen. Noch dazu ist er vollständig böse. In seinen dunklen Gewässern zu warten und unschuldige Leute zu überraschen und zu ertrinken ist sein Lieblingshobby – er wird aber vielleicht darauf verzichten, wenn er durch Opfergaben besänftigt wird. Der Vodyanoy ist vermutlich auch mit der Rusalka (einer oder mehreren) verheiratet.
Die Rusalka
Im Gegensatz zu dem Vodyanoy variieren Glauben über das Aussehen und den Charakter der Rusalka sehr stark. Es wird meistens geglaubt, dass sie eine bezaubernd schöne junge Frau mit einem Fischschwanz ist, aber im russischen Norden, in Westsibirien, im Ural und in der Wolga-Region ist sie ein hässliches altes Weib. Ebenfalls ist sie in denen Regionen bedrohlich, und verlockt junge Männer, um sie zu ertränken, während sie im Südwesten Russlands spielerisch eher als böswillig ist.
Ein Konflikt zwischen heidnischen und christlich-orthodoxen Glauben?
Die heidnischen Urslaven betrachteten die Rusalka als Beschützerin der Natur und Symbol der Fruchtbarkeit, die allen Pflanzen das Leben gibt. Später wurde sie aber nicht mehr hauptsächlich als Lebensquelle betrachtet, sondern als Manifestation des Bösen voller ‘unreiner Geister’ (нечистые силы). Sie soll durch einen ‘unreinen Tod’ dazu geworden sein: sie sei entweder ungetauft oder durch Suizid gestorben (andere glauben auch, dass die Rusalka ein Baby war, das unehelich geboren und ertränkt wurde).
Gruselig! Aber interessant ist, dass die veränderte Betrachtung der Rusalka stark von dem Christentum geprägt ist, deswegen wurde die Rusalka in den letzten Jahrhunderten immer mehr mit dem Teufel assoziiert und mit dem Kreuzzeichen vertrieben. Also, obwohl es keine Märchengeschichte ist, ist dies ein faszinierendes Beispiel davon, wie in Russland heidnische slawische Traditionen und das orthodoxe Christentum zusammenkommen!
Dieser Artikel wurde von Olivia geschrieben, einer jetzigen Studentin bei Liden & Denz Moskau